No Tango und das Spiel mit den Schubladen

Interview mit der Jazzmusikerin Christina Fuchsnotango-interview

Bigband-LiebhaberInnen kennen sie schon lange als Leiterin des 18köpfigen all female United Women’s Orchestra: die Saxophonistin, Bassklarinettistin und Komponistin Christina Fuchs aus Köln. Seit 25 Jahren ist sie in den verschiedensten Formationen der Neuen und Improvisierten Musik und des Jazz zu hören und hat mehrere Preise gewonnen. So umtriebig sie auch ist - die Mutter einer Tochter beweist dabei einen langen Atem: als eine Hälfte des Duos KontraSax mit Romy Herzberg feierte sie kürzlich ihr 20jähriges Jubiläum. Auch ihr Hauptprojekt besteht bereits seit langem, vor zehn Jahren gründete sie mit der Kontrabassistin Ulla Oster, Christoph Hillmann am Schlagzeug und dem Akkordeonisten Florian Stadler ihr eigenes Quartett, das auf den schönen Namen “No Tango” hört und bereits zwei Alben veröffentlicht hat (”No Tango 1″(2008), “No Tango & Strings (2011)).

Jetzt steht die dritte Veröffentlichung “No Tango 2″ an und Mitte April geht sie mit ihrer Band auf CD-Release Tour; beides wurde von der Initiative Musik gefördert. Was es mit dem Bandnamen auf sich hat, woher sie ihre Inspirationen holt und wie sie Familie & Karriere unter den sprichwörtlichen Hut bringt, erzählt sie uns in folgendem Interview.

Herzlichen Glückwunsch, Deine neue CD „No Tango 2“ wird in Kürze erscheinen, welche ja bereits die zweite Veröffentlichung Deines Quartetts ist. Worin unterscheidet sie sich von der ersten?

Genau genommen ist es ja sogar die Dritte, weil es dazwischen noch die Veröffentlichung ‚No Tango & Strings’ gab, ein Ausflug in die Welt des Streichquartetts, Chamber Jazz und die Zwischenwelten von U und E Musik (wenn man diese Kategorien überhaupt noch benutzen will).
Dagegen knüpft No Tango 2 wieder an die erste an, wobei es bunter geworden ist, stilistisch breiter und diverser. Das Quartett spielt jetzt seit 10 Jahren zusammen und natürlich verändert sich das Zusammenspiel im Laufe der Jahre.

Die meisten Kompositionen stammen von Dir, zwei weitere von „Deiner“ Kontrabassistin Ulla Oster. Es heißt, dass Du Dir eine Art „grafischen Plan“ von dem Verlauf eines Stückes machst. Stimmt das und wie geht die Arbeit am Stück mit der Band weiter?

Der grafische Plan stammt eigentlich vom Schreiben für Orchester, um den dramaturgischen Überblick zu behalten. Das gilt aber auch für die kleine Besetzung, obwohl es da natürlich leichter ist, den Überblick zu behalten;-) Ansonsten gibt es natürlich erstmal jede Menge Notenmaterial und Ideen, die dann in der Probe mit der Band ausprobiert und weiterentwickelt werden. Da haben die KollegInnen auf Ihrem jeweiligen Spezialgebiet eine Menge Einfluss auf die Ausführung des Stückes.

Was würdest Du sagen, wieviel Komposition, wieviel Improvisation in deiner Musik steckt?

Ungefähr 70/30 Komposition/Improvisation, wobei es sich gefühlt durchaus anders herum verhält, da die Soli und Improvisationen immer das Herzblut fließen lassen…

Bei Euch fließen Jazz und Tango ineinander. Kannst Du Dich noch erinnern, wann Dir das erste Mal Tango begegnet ist? Gab es da eine Art Aha-Erlebnis? Was verbindest Du mit Tango, was mit Jazz?

Auch wenn es so aussehen mag - wegen des Bandnamens “No Tango” - habe ich eigentlich keine besondere Verbindung zum Tango oder zur argentinischen Kultur. Der Name ist ein Spiel mit dem allseitigen Bedürfnis, die Dinge in Schubladen einordnen zu wollen. Da es mir musikalisch und auch sonst nicht gelingen will, nur EINE Schublade zu bedienen, habe ich diesen “Mangel” quasi zum Programm erhoben. Es ist aber auch ein Spiel mit den Assoziationen. Die Leute sagten immer: ah, da ist ein Akkordeon, das ist doch bestimmt Tango! Ich muss dann immer sehr lachen und sage: No Tango! So ist der Name mehr oder weniger entstanden - aus dieser Welt der Halbwahrheiten und Assoziationen. Dabei emfinde ich die Assoziation Tango als durchaus positiv: für mich ist das Emotionalität, Bewegung, Tanz, Leidenschaft und auch Melancholie - alles Attribute, die ich durchaus auf meine Musik anwenden kann. Der Jazz ist von dort nicht weit: all das findet sich in jeder Improvisation wieder (hoffentlich). Was fehlt: typische Tangorhythmen, Texte/Gesang und der häufig anzutreffende Tangoschmalz. Da sei mir die Intellektualität und Abstraktheit des Jazz herzlich willkommen, vertracktere Rhythmen, schrägere Akkorde, seltsame Formen.

Könnt Ihr eigentlich Tango tanzen ;-)?

Leider nein! Aber es steht auf meiner Liste der Dinge, die ich noch tun möchte.

Ihr spielt jetzt bereits seit zehn Jahren in der Besetzung (Florian Stadler/Akkordeon, Ulla Oster/Kontrabass, Christoph Hillmann/Schlagzeug) zusammen; was ist Euer Erfolgsgeheimnis, um solange zusammen zu bleiben? Seht Ihr Euch regelmäßig oder nur projektbezogen?

Wir sehen uns immer dann, wenn wir Konzerte haben oder Projekte anstehen, für eine regelmäßige Arbeit fehlt uns allen die Zeit. Jeder hat natürlich noch tausend andere Projekte (sonst könnte keiner überleben;-) und fast alle haben inzwischen auch Kinder.
Ein Erfolgsgeheimnis gibt es nicht, außer dass ich vor zehn Jahren sehr gründlich darüber nachgedacht habe, wer gut zusammenpassen würde, auch langfristig. Ich würde mal sagen, dass ich richtig lag… Mir persönlich ist eine lange, konstruktive Zusammenarbeit sehr wichtig, da bin ich ein “long-distance-runner”…

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Viele Musikerinnen haben Schwierigkeiten, die richtigen MitmusikerInnen zu finden. Woher kamen Deine Kontakte? Vom Studium?

Nein, das entwickelte sich über Kontakte aus der “Szene”. Und die ist in Köln divers, bunt und vielfältig. Man kennt sich, geht gegenseitig zu den Konzerten der anderen, hört sie dort, findet sie gut oder nicht so gut, usw. Mit Christoph war das genauso, Ulla kannte ich schon länger, sie hat ja dann auch im UWO gespielt. Florian habe ich bei einer Performance-Tour kennengelernt, wo wir zusammen gearbeitet haben.

Du schickst Deine Band schon mal auf Reisen wie bei den Stücken „Yallayalla“ oder „Buddha“; hast Du Dich da von Mitmusikern wie Saad Thamir (Lagash Projekt) inspirieren lassen?

Auf jeden Fall! YallaYalla geht ganz direkt auf Lagash und Saad Thamir zurück, die Jahre mit den irakischen Kollegen sind nicht spurlos an mir vorübergegangen - und der 10/16 hat mich sehr fasziniert. Reisen sowieso: ich bringe viele Ideen und Inspirationen von unterwegs mit. Die setze ich in Kompositionen um und die Kollegen müssen dann wieder mit mir zusammen los! Scoul-Tarasp beispielsweise ist eine Hommage an den Schweitzer Postbus, der immer mit einem Dur-Dreiklangs-Signal durch die Serpentinenkurven der Berge fährt. Wenn man den einen Monat lang ca. 50x am Tag hört, weil man ein Arbeits-Stipendium im Unterengadiner Scuol hat, kommt es zu solchen Kompositionen…

Du hast im Verlauf Deiner Karriere mehrere, von Schriftstellerinnen inspirierte Projekte realisiert, die sich z.B. mit den Werken von Gertrude Stein, Elfriede Jelinek, Patricia Highsmith oder Herta Müller auseinandersetzten. Was reizt Dich daran?

In meinem ersten Leben - vor der Musik - habe ich Germanistik studiert. Das Studium ist gescheitert, aber die Liebe zur Sprache, Texten und Literatur ist geblieben. Mich reizt es immer, einer anderen Kunstform mit Musik eine weitere Dimension hinzuzufügen, sodass etwas Drittes, Neues entsteht.

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Ihr habt die CD mit Hilfe der Künstlerförderung der Initiative Musik produziert. Was sicherlich viele unserer LeserInnen interessiert: hatte Euer Antrag gleich Erfolg oder hattet Ihr Euch schon vorher beworben? War eine Agentur dazwischen geschaltet?

Der Antrag hatte gleich Erfolg und zwar, wie ich glaube, weil eine Agentur dazwischen geschaltet war. Der bürokratische Aufwand ist schon gewaltig und es bedarf eines gewissen Insiderwissens, um nicht allzu viele Fehler bei der Antragstellung zu machen. Natürlich gehört auch eine Portion Glück dazu. Ich glaube, in den Förderrunden später hatten es Jazzprojekte schon wieder schwerer.

Und was schließt die Förderung mit ein?

Die Projektförderung umfasst die CD-Produktion und die Release Tour im Zeitrahmen eines Jahres. Das schafft man dann so gerade. Aber nicht zu vergessen: die Initiative Musik fördert nur 40% der gesamten Kosten.

Du hast eine achtjährige Tochter. Wie findet sie Deine Musik?

Na, sie findet meine Musik auf jeden Fall besser als die vom ihrem Papa!

Da muss ich jetzt natürlich nachfragen: was macht ihr Papa für Musik?

Der Papa heisst Scott Fields und ist amerikanischer Avantgarde-Gitarrist…

Wie bekommt Ihr das hin mit der Kinderbetreuung, wenn Ihr beide Musiker seid?

Ganz gut, finde ich. Wir teilen uns die Betreuung real 50/50 – natürlich mit Nutzung von Kindergarten, Offener Ganztagsschule. Regel Nr.1: wir spielen nicht oder selten in gemeinsamen Projekten, damit einer immer zuhause sein kann. Regel Nr.2: keine ausgedehnten Touren (zu hart für alle Beteiligten), obwohl, das ändert sich jetzt allmählich mit zunehmendem Alter. Im Herbst habe ich mit No Tango eine Australien-Tour geplant…Ich denke, dass es hifreich ist, wenn beide Musiker sind, weil es ein grundlegendes Verständnis für die (manchmal absurden) Notwendigkeiten dieses Berufes gibt.

Spielt Deine Tochter schon ein Instrument?

Als sie 3 Jahre alt war, wollte sie Geige lernen. Mit 4 wollte sie das immer noch, seitdem spielt sie. Ich bin gespannt – wie es weitergeht.

Wie war eigentlich Deine musikalische Sozialisation? Hast Du schon als Kind mit dem Saxophon begonnen?
Hast Du erst klassisch angefangen oder bist Du schnell zum Jazz gewechselt?

Nein, ich habe klassisch mit der Klarinette begonnen (mit 13) und bin später (mit 17) zum Saxophon übergelaufen. Klassisch heißt in meinem Fall eher musikalische Sozialisation durch Volksmusik im süddeutschen, dörflichen Blasmusikverein ;-) Dennoch, das System war gut: ich bekam umsonst ein Instrument und ein Jahr Unterricht, als Gegenleistung musste ich in der Kapelle spielen. Fairer Deal. Später bekam ich durch den Verein auch das erste Saxophon, damit kam auch der Jazz, Big Band, improvisieren etc…

Was würdest Du jungen Musikerinnen raten, die mit dem Gedanken spielen, Profimusikerin zu werden?

Sie sollten sich genau überlegen, was sie wollen und sich dann nicht beirren lassen von all den Leuten, die meinen zu wissen, wie es sein sollte!