Jazzpodium 6/2012
Interview mit Klaus Hübner
„No Tango 2" heißt Ihre neue Platte. Ist der Name Programm?
Im Prinzip schon. Entstanden ist er nicht sehr programmatisch, sondern als Reaktion darauf, dass ich mit dem vorher so genannten Christina Fuchs Quartett wegen des eingesetzten Akkordeons immer mit dem Tango verknüpft wurde. Die Reaktionen aus dem Publikum entzündeten sich immer am Tango. Durch das Akkordeon ist dieses Bild auch sofort da. Eigentlich haben mich die Leute durch ihre Reaktionen darauf gebracht. Es scheint ein Bedürfnis zu geben, alles in eine Schublade zu stecken. Ich selbst bin im Schubladendenken nicht besonders gut und hänge immer zwischen ihnen. Der Name ist aus einer Negation entstanden, aus dem, was man nicht ist. Und trotzdem ist man es doch immer ein bisschen, weil mehrere Schubladen offen stehen. Ein wenig Tango blitzt immer mal wieder durch, aber es ist wirklich keine Tangomusik. Gar nicht.
Unüberhörbar ist der Tango manchmal schon in Ihrer Musik, die Sie sehr stark mit dem Jazz verbinden. Wohin tendiert das Pendel - mehr zum Jazz oder mehr zum Tango?
Auf jeden Fall mehr zum Jazz. Da komme ich her, da kommt die Band mehr oder weniger her. Der Akkordeonist Florian Stadler vielleicht noch am wenigsten, der kommt aus der klassischen Moderne. Ich fand es sehr erfrischend, dass er kein Jazzer ist und einen etwas anderen Blick auf die Dinge hat.
"Man kann mit den Elementen des Tango spielen", sagen Sie. Wie hoch ist nun dieser Tangoanteil in Ihrer Musik? Kann man den messen?
Mit einem Tangomessgerät? ! Meinen Sie in Prozenten? Ich will mich gar nicht so sehr auf den Tango einlassen. Wenn man es in Zahlen fassen wollte: vielleicht fünf Prozent? Das ist wirklich wenig, es sind nur Assoziationen, Melodien oder kleine Floskeln, die mir hin und wieder einfallen. Mehr aber auch nicht. Insofern ist der Name schon Programm, denn das "No" ist klein und "Tango" so groß.
Wie sind Sie zum Jazz gekommen?
Über Big Bands, für die ich selbst auch viel geschrieben habe. Das waren für mich die Anfänge. Mein erster großer Held war Wayne Shorter. Die Einstiegsdroge Weather Report. Über diese Band lernte ich Shorter eigentlich erst richtig kennen, habe weiter gehört, kam dann natürlich auch auf John Coltrane. Damals spielte ich sehr viel Tenorsaxophon und stand deshalb den Tenoristen sehr nahe. Als ich dann von Freiburg nach Köln gezogen bin, hat sich das Bild ein wenig weiter geöffnet. Die Szene hier ist einfach weiter entwickelt, das Fenster nach New York ist immer offen.
Besaßen Sie vor Ihrer künstlerischen Tätigkeit als Jazzmusikerin eine andere musikalische Ausrichtung?
Das süddeutsche Musikförderprinzip liegt in den Händen der Blasmusikvereine. In einem dörflichen Blasmusikverein bin ich musikalisch sozialisiert. Von dreizehn bis siebzehn habe ich tatsächlich Märsche, Polkas und Potpourris auf der Klarinette gespielt. Das war ein fairer Deal: Ich bekam ein Instrument kostenlos und ein Jahr Unterricht, auch kostenlos. Als Gegenleistung spielte man in der Kapelle sonntags auf dem Dorfplatz. Diesen Deal finde ich im Nachhinein sehr fair, denn meine EItern hätten mir vielleicht kein Instrument gekauft. Zu einem späteren Zeitpunkt haben die jungen Jugendlichen eine eigene Big Band formiert. Es gab nämlich einen großen Jazzfan, der eine Big Band aufbaute. Die jungen Leute aus der Blaskapelle gingen in die Big Band. Ich selbst bekam ein Saxophon in die Hand gedrückt: Jetzt spielst du Saxophon! Fand ich toll mit sechzehn, siebzehn, und viel cooler als eine Klarinette. Ich bin dann mit Haut und Haar zum Jazz übergesiedelt, weil mich das Improvisieren so gepackt hatte.
Spielen Sie mit den Musikern Ihres Quartetts auch in anderen Ensembles zusammen?
Ulla Oster hat lange im United Women's Orchestra gespielt, das ich geleitet habe und das es heute nicht mehr gibt. Jetzt spiele ich mit ihr und Christoph Hillmann nur in diesem Ensemble zusammen. Ab und zu hole ich Florian Stadler für andere Projekte. Ich habe noch das Duo Kontrasax mit Romy Herzberg, zu dem ich ihn manchmal als Gast dazu hole.
Sie spielen ausschließlich Kompositionen von Ihnen oder Ulla Oster. Stand nie zur Debatte, reine Tangomusik zu covern?
Ja, hauptsächlich von mir. Ulla Oster hat immer ein bis zwei Stücke im Programm. Wir haben noch nie in Erwägung gezogen, Tangos zu covern. Aber vielleicht machen wir das irgendwann einmal.
Was ist ein" Tangomat"?
Es ist natürlich ein Wortspiel, eine Mischung aus Tango und aus Automat. Ich habe manchmal bei den Titeln nach Kombinationen gesucht, was sich mit dem Tango alles verbinden lässt. Da kommt man auf so allerhand. Wenn du für das Gelingen Verantwortung trägst, ist das ein Fulltime-Job, kann man sagen.
Können Sie Tango tanzen?
Leider nicht. Er steht auf meiner Liste der Dinge, die ich tun möchte. Der Tango hat so einige Attribute, die ich durchaus unterschreiben kann. Es sind so Eigenschaften wie zum Beispiel Rhythmus, Bewegung, Leidenschaft, eine gewisse Melancholie, alles Dinge, die in meiner Musik auch vorkommen. Es gibt da schon eine indirekte Nähe. Wo man gemeinhin den Tango lokalisiert, nämlich bei den speziellen Tangorhythmen plus Gesang und den Texten und den Schmalz in ihm, das brauche ich wirklich nicht. Da bin ich doch froh, dass Jazz abstrakter und komplizierter ist. Insofern suche ich die Nähe zum Tango nicht.
Nun liegt also die insgesamt dritte CD mit "No Tango" auf dem Tisch. Ist dieses Projekt ein elementarer Baustein Ihrer musikalischen Aktivitäten?
In den letzten zehn Jahren schon. Nach dem ich mit dem United Women's Orchestra aufgehört habe, galt mein Interesse eindeutig meinem Quartett. Es wird weitergehen, denn ich bin ein ..Iong distance runner" und mag keine einmaligen Projekte, die nach ein, zwei Jahren wieder sterben. Ich möchte mit Musikern lange zusammenarbeiten und miteinander eine Sprache entwickeln. Je länger man das macht, desto spannender wird es.