Von Michael Laages

Christina Fuchs “No Tango 2”

Das an Farben und Vielfalt reichste Instrument der Musik ist – nein: nicht das Klavier – das Akkordeon. Denn es vereint ja alle Vorzüge der seriösen Schwester, also zum Beispiel Ein- und Mehrstimmigkeit im selben Augenblick, mit den Qualitäten der mit Atemluft und Fingerdruck betriebenen Blasinstrumente. Und, nicht zu vergessen: das Akkordeon ist weit besser transportabel – im Koffer, nicht im Möbelwagen. Jenseits vom argentinischen Tango, den der kleine Bruder des Akkordeons, das Bandoeon, mit geprägt hat, schreibt das “Klvier der kleinen Leute” auch an der Jazz Geschichte kräftig mit, etwa in den Aufnahmen mit Richard Galliano; im Quartett der Kölner Saxophonistin Christina Fuchs kreiert es moderne Klänge, die deren neue CD “No Tango 2” zum Ereignis werden lassen.

Konstante Zusammenarbeit

Der Akkordeon-Virtuose hier heisst Florian Stadler, er gehörte auch schon zum Kern der ersten “No Tango”- Produktion von Christina Fuchs, die vor vier Jahren erschienen ist. Das Quartett blieb seither komplett: Ulla Oster ist am Bass zu hören, Christoph Hillmann ist der Schlagzeuger. Wie die 1963 in München geborene, in Freiburg und Köln sowie bei Maria Schneider und George Russell ausgebildete und heute in Köln lebende und arbeitende Saxofonistin Fuchs all ihren Projekten die Treue hält – natürlich dem United Women’s Orchestra, das sie zusammen mit Hazel Leach leitete (auch von ihr gibt es übrigens eine neue CD, ebenfalls zu hören bei Play Jazz! In dieser Woche), dem “KontraSax”- Duo oder dem eigenen “Soundscapes Orchestra”. Mit dem Titel “Soundscapes” überschrieb Fuchs auch die Kompositionen und Arrangements für die NDR Big Band und die 2006 erschienene gemeinsame CD.

Sound-Qualitäten im zeitgenössischen Jazz-Profil

“No Tango 2” ist eine Sammlung von Fuchs-Kompositionen (zuzüglich zweier Titel der Bassistin Oster), die den Reichtum des Akkordeons unterfüttert mit Sound-Qualitäten im zeitgenössischen Jazz-Profil. Denn natürlich öffnet die Stimmenvielfalt des Akkordeons jedes mal von neuem neue Horizonte- und der Fuchs-Ton von Sopransaxofon und Bassklarinette “spricht” sofort mit, auch Oster mischt sich ein; Hillmann legt so sparsam wie effektiv die rhythmischen Spuren und Strukturen aus. Selten klingen vier Menschen im Jazz derart nach “grossem Orchester” wie hier. Das Akkordeon macht’s möglich.

Tango als Ausgangspunkt

Natürlich klingt, schmeckt und riecht dann ab und zu auch mal der eine oder andere Titel ein bisschen nach Tango, und immerhin gleich dreimal laden die Fuchs-Kompositionen sogar dezidiert dazu ein, sich vom “No Tango”-Sound aud hinein zu phantasieren in die große Geschichte dieser Musik, die fern von Deutschland entstand und doch so viel zu tun hat mit einem Instrument, das der Instrumentenbauer Heinrich Band in Krefeld erfand und das darum Bandoneon heisst. Aber von dort aus spielt sich das Quartett um Christina Fuchs stets voran in ganz andere Dimensionen. Und es macht enormen Spass, der Saxofonistin und dem Quartett auf all diesen Wegen zu folgen, zehn Titel und eine Stunde lang voll von allerfeinster Musik: zum Kennenlernen und Immer-wieder-Hören.